Diablo 4: Lead Class Designer Adam Jackson im großen Rückblick
Adam Jackson gehört zu den bekanntesten Gesichtern der Diablo-4-Entwicklung. Über viele Jahre hinweg prägte er als Systemdesigner, Klassenentwickler und später als Lead Class Designer maßgeblich die Ausrichtung des Spiels. Im exklusiven Interview mit dem Diablo Podcast spricht er offen über seinen Werdegang, seine größten Herausforderungen im Live-Team und seine Design-Visionen für Klassen und Systeme. Die Einblicke reichen von der frühen Arbeit an Heroes of the Storm bis hin zu den radikalen Umbrüchen rund um Season 2 und dem Wechsel zu Riot Games.
Vom Kampfsportlehrer zum Diablo-Entwickler
Bevor Adam Jackson bei Blizzard durchstartete, war er als Taekwondo-Lehrer und Wettkämpfer aktiv. In Huntington Beach unterrichtete er Kinder und Jugendliche, darunter auch die Familie eines Blizzard-Mitarbeiters. Als dieser eines Tages fehlte, erfuhr Jackson von dessen Arbeit an Starcraft – inklusive Musik und Sprachaufnahmen für die Terraner.
Nach einer Führung über den Blizzard-Campus war Jackson begeistert. Seine erste Bewerbung auf eine Stelle als Balance Designer für Starcraft wurde zwar abgelehnt, aber er erhielt stattdessen 2009 eine Stelle als Game Master im Kundensupport. Damit begann seine Karriere in der Spieleentwicklung.
Frühe Blizzard-Jahre und Einstieg ins Gamedesign
Nach seiner Zeit im Kundensupport wechselte Jackson in die Qualitätssicherung und wurde Teil des damaligen QA-UX-Teams. Dieser Bereich wurde ursprünglich für World of Warcraft aufgebaut und bestand aus besonders spielerfahrenen Community-Mitgliedern, die neue Inhalte vor dem Release testen sollten. Jackson wurde aufgrund seiner Starcraft-Expertise in das Team aufgenommen.
Sein Alltag bestand darin, interne Builds von Spielen wie Hearthstone, Diablo 3 oder Heroes of the Storm zu spielen und fundiertes Feedback zu geben. Später arbeitete er im klassischen QA-Bereich für Heroes of the Storm und wurde dort zum Top-Spieler im gesamten Unternehmen.
Mit dem Wechsel ins Design-Team von Heroes of the Storm gelang ihm der schwerste Schritt in der Branche: der Sprung von QA zu Game Design. Er war fortan Teil des Live-Balance-Teams und prägte die Entwicklung über viele Jahre hinweg.
Wechsel zu Diablo 4: Systeme, Klassen, Verantwortung
Nach seiner Zeit bei Heroes of the Storm wurde Jackson Teil des Entwicklerteams von Diablo 4. Anfangs war er für systemische Aspekte verantwortlich, denn zu diesem Zeitpunkt existierten noch keine getrennten Klassen- und Systemteams. In Action-RPGs wie Diablo sind beide Bereiche eng miteinander verwoben – Items beeinflussen Fähigkeiten, Affixe verändern Spielmechaniken und alles greift ineinander.
Im weiteren Verlauf der Entwicklung wurden die Teams aufgeteilt. Jackson übernahm die Leitung des Class Design Teams und wurde kurz vor Release zum Lead Class Designer befördert. Seine Aufgabe war es, die Spielklassen von Grund auf zu strukturieren und ihre langfristige Balance sicherzustellen.
Nach dem Launch wechselte er in eine neue Rolle: Als Lead Live Class Designer übernahm er die Verantwortung für Balance-Anpassungen in Seasons und die Koordination mit anderen Entwicklungsteams, darunter Sound, VFX und Engineering.
Warum Adam Jackson Blizzard verlassen hat
Nach über 15 Jahren bei Blizzard entschied sich Adam Jackson zu einem Wechsel – nicht aus Frust, sondern aus Neugier und persönlichem Antrieb. Obwohl er die Hierarchien durchlaufen hatte und in einer leitenden Position arbeitete, verspürte er den Wunsch, neue Perspektiven in der Spieleentwicklung kennenzulernen.
Die Entscheidung fiel auf Riot Games, ein Studio, dessen Spiele er schon lange privat spielte. Besonders beeindruckt zeigte sich Jackson vom hohen Niveau der Mitarbeitenden und der klaren Spielerorientierung. Der Schritt war auch ein bewusster Bruch mit alten Routinen, um sich fachlich weiterzuentwickeln.
Jackson beschreibt Blizzard dennoch als einen der wenigen Orte, an denen er so lange bleiben konnte. Die emotionale Bindung sei stark gewesen – aber der Wunsch, neue Ansätze zu erleben, war letztlich stärker.
Helden vergangener Zeiten: Heroes of the Storm
Adam Jackson bezeichnet Heroes of the Storm als eines seiner emotionalsten Projekte. Die lange Zeit im Live-Balance-Team prägte ihn nachhaltig, und er beschreibt das Entwicklerteam als eine seiner liebsten Gruppen innerhalb von Blizzard.
Obwohl er seit Jahren nicht mehr an HotS arbeitet, verfolgt er die Community weiterhin. Jackson betont, dass die verbleibenden Spieler dem Spiel treu bleiben und eine besondere Verbindung dazu haben – vergleichbar mit Nischentiteln wie Brood War oder Smash Bros Melee, die sich über Jahrzehnte halten.
Zur langfristigen Zukunft des Spiels kann er nichts Konkretes sagen. Solange die Server online sind, werde es Menschen geben, die Spaß daran haben. Diese Form von anhaltender Spielerbindung sieht er als etwas Besonderes und beinahe Ehrenvolles an.
Adams Geschichte mit Diablo – von D1 bis D4
Adam Jackson spielt Diablo, seitdem er ein Kind war. Seine erste Erfahrung mit Diablo I beschreibt er als dunkel, bedrohlich und faszinierend. Im Arbeitszimmer seines Vaters verbrachte er viele Stunden mit dem Spiel – und schlug sich durch alle drei Klassen bis zum Abspann.
Diablo II beeindruckte ihn besonders durch die größere Spielwelt und das neue Laufsystem. Seine Lieblingsklasse war der Totenbeschwörer, dicht gefolgt vom Sturm-Druiden mit Bär und AOE-Kräften. Auch mit Diablo III war Jackson früh vertraut: Als Teil des UX-Teams half er dabei, die Schwierigkeitsgrade und Spielbalance im Vorfeld des Releases zu testen.
Er erinnert sich an den Inferno-Modus, an gescheiterte PvP-Prototypen und interne Balance-Experimente. Mit Reaper of Souls spielte er auch die fertige Version intensiv. Trotz seiner späteren Designrolle schätzt er bis heute die Fantasie und Spieltiefe der klassischen Diablo-Klassen.
Was macht ein Class Designer bei Diablo 4?
Adam Jackson beschreibt die Arbeit im Class Design als eine Mischung aus Kreativität, Planung und technischer Umsetzung. Als Individual Contributor – kurz IC – ist man für konkrete Klasseninhalte zuständig. Das reicht von Legendären Aspekten über neue Fähigkeiten bis hin zu Skilltree-Updates in jeder Saison.
Die Arbeit beginnt meist mit einem „Paper Design“, einer Liste geplanter Änderungen und Ideen. Nach interner Abstimmung folgt die Implementierung im Spiel, gefolgt von Playtests und Balancing-Schleifen. Erst wenn das Team zufrieden ist, wird der Inhalt veröffentlicht und in Streams oder Campfire-Chats vorgestellt.
Als Lead koordiniert Jackson nicht nur diese Prozesse, sondern priorisiert Aufgaben, verteilt Zuständigkeiten und stellt sicher, dass andere Abteilungen – etwa VFX, Sound oder Engineering – eng eingebunden sind. Dabei hält er die langfristige Vision der Klassenentwicklung im Blick.
Der Druck eines Live-Service-Spiels
Diablo 4 wird kontinuierlich weiterentwickelt – parallel laufen Inhalte für Seasons, das Live-Spiel und kommende Erweiterungen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, arbeitete Jackson zeitweise in vier parallelen Entwicklungspipelines. Dazu gehörten Teams für ungerade und gerade Seasons, das Expansion-Team sowie das Live-Class-Team, das auf kurzfristige Balance-Probleme reagieren sollte.
Nach dem Release des Spiels übernahm Jackson die Leitung des Live-Class-Teams. Diese Gruppe kümmerte sich ausschließlich um saisonale Inhalte wie neue Aspekte, Balance-Anpassungen und kleine Feature-Erweiterungen. Gleichzeitig war eine enge Abstimmung mit den anderen Teams nötig – insbesondere wenn fundamentale Systeme wie das Loot-Reborn-Update Änderungen in allen Bereichen auslösten.
Die größte Herausforderung war dabei die Koordination zwischen langfristiger Planung und kurzfristigem Spielerfeedback. Gerade in einem Live-Spiel wie Diablo 4 sei es wichtig, flexibel zu bleiben und gleichzeitig die Spielqualität zu sichern.
Umgang mit öffentlicher Sichtbarkeit und Kritik
Mit seiner Rolle als Lead Class Designer rückte Adam Jackson stärker in die Öffentlichkeit. Bereits bei Heroes of the Storm hatte er den Anspruch, mit der Community offen zu kommunizieren – etwa über Reddit, Interviews und Podcasts. Auch bei Diablo 4 trat er regelmäßig in Livestreams auf, um Designentscheidungen transparent zu machen.
Diese Sichtbarkeit bringe laut Jackson aber auch Risiken mit sich. Wer öffentlich spricht, könne schnell missverstanden oder zum Internet-Meme werden – wie im Fall von Wyatt Cheng und dem berühmten „Phones“-Moment. Jackson betont, dass Cheng ein außergewöhnlich fähiger Designer sei, dessen Arbeit fälschlich auf ein Zitat reduziert wurde.
Trotz der Gefahren sieht Jackson in der direkten Kommunikation mit Spielern eine Chance, Diskussionen zu versachlichen. Er wolle zeigen, wie Entscheidungen im Spieldesign entstehen – nicht als Reaktion auf Emotionen, sondern auf Spielmechanik, Feedback und technische Machbarkeit.
Rückblick auf Season 2: Stolz, Stress und Teamgeist
Season 2 von Diablo 4 gilt intern als Wendepunkt – und war zugleich eine der größten Herausforderungen für Jacksons Team. In der Planungsphase standen massive Systemprobleme im Raum: Kritische Schwächen bei Verwundbarkeit, Kritischer Treffer und Schadensberechnung mussten kurzfristig behoben werden.
Jackson schildert, wie er ursprünglich nur eine dieser Baustellen anpacken wollte. Doch nach einem entscheidenden Meeting mit seinem Vorgesetzten übernahm er das komplette Paket. Innerhalb von sechs Wochen wurde das Kampfsystem grundlegend überarbeitet, neue Legendaries und Vampirkräfte eingeführt sowie die Resistenzsysteme neu strukturiert.
Besonders stolz ist Jackson auf das Team, das er dafür selbst zusammenstellte. Designer wie Charles Dunn, Colin, Liam und Frankie wurden Teil eines neuen Live-Class-Teams, das bis zu seinem Wechsel zu Riot Games unter seiner Leitung arbeitete.
Design-Wünsche, die nicht aufgingen
Auch bei Diablo 4 gab es Features, die nicht wie geplant umgesetzt werden konnten. Adam Jackson nennt hier das „Book of the Dead“ des Totenbeschwörers als Beispiel. Die Vision: unterschiedliche Spielstile wie reine Golem-Builds oder reine Skelett-Armeen sollten gleichwertig spielbar sein. In der Realität dominierten jedoch regelmäßig einzelne Varianten und machten andere Optionen obsolet.
Ein ähnliches Problem zeigte sich beim Druiden. Zwar konnten klare Spielstile wie Werwolf, Werbär oder Sturm-Druide erfolgreich umgesetzt werden, doch das Design rund um Menschform und Elementarmagie blieb hinter den Erwartungen zurück. Vor allem das legendäre Item „Tempest Roar“ überschattete viele andere Varianten und schränkte die Diversität ein.
Jackson betont, dass es sich nicht um gescheiterte Systeme handelt, sondern um Spielkonzepte, die in der Praxis schwer balancierbar waren. Er hätte sich gewünscht, dafür mehr Raum im Entwicklungsprozess zu haben – etwa durch gezielte Helm-Alternativen für reine Caster-Builds.
Wie sich Diablo 4 über die Seasons verändert
Adam Jackson beschreibt den Wandel von Diablo 4 als typisches Phänomen eines Live-Service-Spiels. Während das Grunddesign zu Beginn auf klare Mechaniken und Einstiegshürden setzt, verlangen erfahrene Spieler mit jeder Season neue Überraschungen. Das führe zwangsläufig zu Regelbrüchen und Power Creep, da jede neue Mechanik einen stärkeren Effekt haben müsse als die vorherige.
Um diesem Effekt zu begegnen, setzen viele Spiele auf zyklische Resets. Auch bei Diablo 4 werde das Spiel mit jeder Season neu kalibriert – etwa durch Level-Resets, vereinfachte Tooltips oder die Abschwächung übermächtiger Builds. Komplexität und Macht steigen, bis ein Bruchpunkt erreicht ist, der eine Rückführung erzwingt.
Jackson betont, dass dies kein Designfehler sei, sondern eine bewusste Entscheidung: In einer sich ständig verändernden Spielelandschaft müsse ein ARPG wachsen – und sich regelmäßig selbst neu erfinden, um Spieler dauerhaft zu binden.
Hoffnungen für die Zukunft von Diablo
Obwohl Adam Jackson nicht mehr an Diablo 4 arbeitet, verfolgt er die Entwicklung weiterhin. Für die Zukunft wünscht er sich vor allem mehr Mut zu ungewöhnlichen Ideen. Besonders die Chaos-Saison mit ihren untypischen Mechaniken habe ihm gefallen – weil sie das Spiel auf überraschende Weise aufbricht.
Jackson sieht in Seasons eine gute Gelegenheit, Experimente mit geringem Risiko durchzuführen. Spieler seien offen für Neues, solange der Kern erhalten bleibe. Auch wenn nicht jede Idee funktioniert, könne daraus langfristig ein fester Bestandteil des Spiels entstehen.
Langfristig hofft Jackson auf stärkere Story-Elemente und erinnerungswürdige Charaktere. Wie in Diablo 2 oder Starcraft wünsche er sich Momente, die Spieler emotional binden – etwa durch mutige Entscheidungen im Weltdesign oder durch visuell eindrucksvolle Szenen mit ikonischen Figuren.
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